Zum zweiten Mal richtet die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) die Bienenkonferenz aus. Das erklärte Ziel: Wissenstransfer zwischen Schüler*innen, Wissenschaft und Praktiker*innen.
(ps) 2017 ging ein Schock durch die Republik: Insektenforscher*innen stellten die als „Krefelder Studie“ bekannt gewordene Untersuchung zum Insektenschwund vor. Kernergebnis: innerhalb der letzten 30 Jahre ging die Masse der Insekten um 75 Prozent zurück. Das war zwar keineswegs die erste Studie zum Thema und das Problem des Insektensterbens war ebenfalls schon wohlbekannt. Doch diese Langzeitstudie war vom Umfang und der Datenmenge her praktisch einmalig und hielt der erwartungsgemäß aufkommenden Kritik mühelos Stand.
Zugleich war die Botschaft – ein Rückgang um 75 Prozent – so eindrücklich, „dass es wirklich einen Aufschrei dann auch in der Bevölkerung und in der Politik gegeben hat“, so Martin Wiemers vom Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut gegenüber dem DLF – „das erste Mal eigentlich“, sagt er, und: „das war wirklich so ein Umbruch, dass es plötzlich in aller Munde war“. Zwar wurden noch immer keine ausreichenden Maßnahmen auf politischer Ebene umgesetzt, doch das Problem ist im Bewusstsein der Menschen angekommen und damit jedenfalls langfristig auf der Agenda festgeschrieben.
Früh Bewusstsein schaffen
Langfristige Ziele verfolgt auch die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) mit ihrer nun zum zweiten Mal stattfindenden Bienenkonferenz. Die auf dem idyllisch gelegenen Hofgut Tachenhausen bei Nürtingen ausgerichtete Veranstaltung soll Bewusstsein für die ebenso vielfältige wie bedrohte Welt der Bienen schaffen. Dabei geht es aber nicht schwerpunktmäßig um das Nutztier „Honigbiene“, sondern um die Wildbienen: „In Deutschland sind rund 600 verschiedene Wildbienenarten und 40 Hummelarten bekannt“, so die Hochschule.
An der Konferenz nahmen rund 70 Schüler*innen von zehn Schulen teil, sowie „Experten aus Forschung und Wissenschaft, Praktiker und Aussteller.“ Inhaltlich ging es sowohl um Theorie, als auch um praktische Aspekte. So steuerte Leland Gehlen von der Landesanstalt für Bienenkunde an der Uni Hohenheim „praktische Tipps bei, wie die Lebensbedingungen von Wildbienen verbessert werden können. Bienenhotels, die käuflichen zumal oft wenig artgerecht, spielen hier eine untergeordnete Rolle. „Drei Viertel aller Wildbienen nisten im Boden“, so Gehlen. Generell seien nur 30 der 600 bekannten Arten potenzielle Hotelgäste.“
Die Wildbienen seien besonders „anfällig für Veränderungen im Ökosystem“, wie die Hochschule weiter mitteilt. „Mehr als die Hälfte der heimischen Wildbienen steht auf der Roten Liste – sie sind bestandsgefährdet oder schon ausgestorben, wie Leland Gehlen berichtete. „Der negative Trend hält an“, so der Experte, „aber jeder kann etwas tun, um den Lebensraum der Wildbienen zu verbessern“. Dazu gehöre geeignete Nisthabitate zu erhalten und anzulegen und für ein gutes Nahrungsangebot zu sorgen. Im eigenen Garten etwa mit naturbelassenen Ecken und dem Verzicht auf Pestizide.“
Was können Schulen tun?
Die Bienenkonferenz der HfWU zeigt in vorbildlicher Weise, wie erfolgreiche Vernetzung von Schule und Wissenschaft aussehen kann. Da solche Initiativen aber leider nicht deutschlandweit zu finden sind, ist es auch an den einzelnen Schulen, hier tätig zu werden. Auf einige gute Beispiele wurde auch auf der Konferenz verwiesen, etwa in Form von „Bienen-, Umwelt- und Nachhaltigkeit-AGs, im Biologieunterricht und Seminaren“.
Online finden sich inzwischen umfangreiche Unterrichtsmaterialien zum Thema, etwa auf den Seiten „Umwelt im Unterricht“ des Bundesumweltministeriums. Auch praktische Tipps für insektenfördernde Schulprojekte finden sich online ebenso wie mehrwöchige Unterrichtseinheiten zum Thema.
Sofern die räumlichen Möglichkeiten gegeben sind, empfiehlt es grundsätzlich immer, Flächen auf dem Schulgelände für z.B. Schaugärten, Totholzhaufen und Käferkeller, oder Sand- und Lehmnisthilfen für Wildbienen zu nutzen. Praxisbeispiele zeigen, dass solche Anlagen mit unterschiedlichen Fragestellungen für alle Klassenstufen interessant sind, das Interesse der Schüler*innen besser als im „konventionellen“ Unterricht geweckt wird – und sie einen realen ökologischen Nutzen haben.
Dabei sind die Möglichkeiten sehr vielfältig: etwa in einem Schaugarten oder Bienengarten, also einer Blühanlage, können heimische Wildpflanzen studiert werden, z.B. können in verschiedenen Beeten Unterschiede in der Pflanzengesellschaften bei abgemagerten und fetten Substraten (Sand, Humus, Lehm) beobachtet werden, Blütenformen und -typen untersucht werden usw. – sowie natürlich deren Besucher, vom Parasiten bis zum Bestäuber. Die Pflege der Anlagen kann von entsprechenden AGs übernommen werden. Das ist nicht nur für die ökologische Bildung der Schüler*innen hilfreich, sondern auch für ihre Psyche: zahlreiche Studien zeigen, dass allgemein schon der Aufenthalt „im Grünen“ positive Effekte wie mehr Ausgeglichenheit und innere Ruhe zeitigen, und speziell das gärtnern regelrecht als Antidepressivum wirken kann.
Quellen:
idw / Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen: „Bedrohte Vielfalt“, PM vom 16.07.2025, Gerhard Schmücker; online: idw-online.de/de/news855496
Deutschlandfunk: „Fünf Jahre Krefelder Studie – Wie geht es den Insekten heute?“,Joachim Budde, 16.10.2022; online: www.deutschlandfunk.de/krefelder-studie-insektensterben-biodiversitaet-pestizide-100.html
16.07.2025