Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, erreicht die Zahl der Jugendlichen, die nicht mehr bei den Eltern wohnen, 2021 ein Zehn-Jahres-Hoch. Söhne brauchen aber weiterhin länger als Töchter, um von zuhause auszuziehen. Dabei sind die Bedingungen dafür nicht die besten: Bezahlbarer Wohnraum ist knapp und die Mieten steigen unverändert an.
(ps) Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, erreicht die Zahl der Jugendlichen, die nicht mehr bei den Eltern wohnen, 2021 ein Zehn-Jahres-Hoch. Söhne brauchen aber weiterhin länger als Töchter, um von zuhause auszuziehen. Dabei sind die Bedingungen dafür nicht die besten: Bezahlbarer Wohnraum ist knapp und die Mieten steigen unverändert an.
Es ist für die meisten Menschen eine prägende Erfahrung: Der Auszug aus dem elterlichen Haushalt. Oft mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wer nicht beispielsweise ein Schuljahr im Ausland verbracht hat, wird die Eltern das erste Mal länger als vielleicht für die Dauer eines Urlaubs verlassen, und dies dann gleich – dem Plan nach – für immer. Plötzlich gibt es Post von Ämtern und für das Abendbrot wird selbst gesorgt. Auf der anderen Seite winken Selbstständigkeit und Selbstbestimmung: Als eigene/r Chef/in kann endlich selbst entschieden werden, ob das Zimmer jetzt wirklich aufgeräumt werden muss oder ob das nicht auch morgen noch ok ist.
Im Jahr 2021 haben so viele Jugendliche wie lange nicht mehr diesen Schritt gewagt: Unter den 15- bis 24-jährigen lebten 31,2 Prozent nicht mehr im elterlichen Haushalt. In absoluten Zahlen sind dies "2,6 Millionen der gut 8,3 Millionen jungen Menschen" dieser Gruppe. 2011 lag dieser Wert noch bei 27,5 Prozent. Dabei trotzen die Jugendlichen ungünstigen Bedingungen wie den stetig steigenden Mietpreisen. Möglicherweise ist der Anstieg ein Effekt der Corona-Pandemie: Der Wert hat vor 2020 für viele Jahre relativ konstant um 28 Prozent +/- 0,5 Prozent gelegen und ist im Corona-Jahr 2020 bereits auf 29,8 Prozent gestiegen. Zwar hat die Corona-Pandemie wirtschaftliche Unsicherheiten gezeitigt, aber auch die Dauer der heimischen Sozialkontakte signifikant erhöht. Der sprunghafte Anstieg um fast drei Prozent in zwei Jahren könnte also auch als Fluchtbewegung gelesen werden.
Dabei lassen sich die Söhne allgemein länger mit dem Auszug Zeit als die Töchter. Während 2021 bereits 35,1 Prozent der jungen Frauen von zuhause ausgezogen waren, waren es unter den jungen Männern lediglich 27,6 Prozent. Diese Beobachtung lasse sich laut EU-Statistikbehörde Eurostat in allen EU-Mitgliedsländern machen: Statistisch liegt das Auszugsalter der "Männer mit 27,4 Jahren im Schnitt rund zwei Jahre später" als jenes der Frauen, die mit durchschnittlich 25,5 Jahren ausziehen. Der EU-Schnitt liegt damit bei 26,5 Jahren. Die deutschen Jugendlichen sind also vergleichsweise früh dran: Hier liegt der Altersdurchschnitt jener, die das Elternhaus verlassen, bei 23,6 Jahren. Mit lediglich 19 Jahren liegt das Durchschnittsalter dieser Gruppe in Schweden am niedrigsten, in Portugal mit 33,6 Jahren am höchsten.
Während sich aber "von zuhause ausziehen" auf dem Papier leicht liest, ist es in der Praxis eine große Herausforderung. Inzwischen gibt es sogar Ratgeberliteratur, in der thematisiert wird, ob, wann und wie am besten der heimische Herd zu verlassen sei – und für Eltern, wenn die Kinder das partout nicht machen wollen. Die Juristin und Autorin eines solchen Ratgebers, Nicole Schwalbe, appelliert hier auch an die Schulen: "Ich befürworte daher eher, dass man die Schulung fürs Leben, sprich "Wie kommen Verträge zustande", "Wie kündigt man einen Vertrag", "Wie findest du eine Wohnung", "Welche Versicherungen braucht man, wenn man zuhause auszieht", "Wie gehe ich mit Geld um" usw. auf die Schule verlagern sollte, da das hier durch die Lehrer "geschult" vermittelt werden kann und wir dadurch eher eine Chancengleichheit erreichen."
Quellen:
https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/08/PD22_N049_12.html
https://www.mdr.de/ratgeber/familie/auszug-tipps-100.html
09.08.2022
