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Digitalkompetenz in der Grundschule

Kinder frühzeitig und passgenau fördern

Grundschülerinnen am Laptop (Symbolbild). Bild von Freepik. Grundschülerinnen am Laptop (Symbolbild). Bild von Freepik.
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Unterricht und Schule

Ohne Digitalkompetenz geht heute nichts mehr – und auch in der Lebenswelt der Kinder ist die Digitalisierung bereits angekommen. Bildungsforscher*innen sprechen sich für frühzeitige Förderung und bessere Evaluation der Lernerfolge aus.

 

(ps) Die Lage ist eindeutig: spätestens seit Einführung der Smartphones bestimmt die Digitalität unsere Gesellschaft. Und während es anfangs noch zaghafte Versuche gab die Kinder eine Weile „analog“ aufzuziehen bevor sie Smartphone & Co. nutzen dürfen, sind heute die meisten Hemmungen auf breiter Front gefallen. Schon Babys und Kleinkinder werden immer öfter mit Tablet und Smartphone ruhiggestellt und Kinder fordern immer früher ein, auch ein Smartphone zu bekommen – kein Wunder, sehen sie doch ihre Eltern meist nur mit dem Kopf über den Bildschirm gebeugt.


Entsprechend notwenig ist es, auch an den Schulen schon früher mit der Vermittlung von Digitalkompetenzen anzusetzen. Prof. Thomas Irion, Direktor des Zentrums für Medienbildung der PH Schwäbisch Gmünd, hat bereits vor einigen Jahren betont, dass diese Kompetenzvermittlung integraler Bestandteil des „Allgemeinbildungsgedankens der Grundschule“ sei. „Angesichts der veränderten aktuellen und künftigen Lebenswelten der Kinder, samt aller Chancen und Gefahren der digitalen Medien, ist die Einführung in einen kritisch-reflektierten Umgang mit digitalen Medien heutzutage unerlässlich,“ schreibt er 2018 in einem Beitrag für die Fachzeitschrift „Grundschule aktuell“.


Während diese Position in der Theorie inzwischen weitgehend Konsens geworden ist, ergeben sich in der Praxis neue Fragen: welche Inhalte sollen vermittelt werden – also was sind überhaupt Digitalkompetenzen? –, wie sollen sie vermittelt werden und wie kann der Lernerfolg gemessen werden? Zu diesen Fragen forscht auch ein Team der Universität Würzburg, das mit der Entwicklung eines „digitalen Diagnoseinstruments“ befasst ist, um Lehrkräften zu helfen „Kinder fit im Umgang mit digitalen Medien“ zu machen und deren „Lernstand in einzelnen Digitalkompetenz-Bereichen erfassen [zu] können“.


„Die Welt von Kindern im Grundschulalter ist durch digitale Medien geprägt“, sagt Prof. Sanna Pohlmann-Rother in einer Mitteilung der Universität. „Für die Hausaufgaben am PC des großen Bruders im Internet recherchieren, sich anschließend am Smartphone mit einer Freundin verabreden und dann noch schnell auf dem Tablet eine Folge „Checker Tobi“ ansehen: Das gehört alles längst zum Alltag vieler Kinder“, heißt es dort. Dies habe unweigerlich Auswirkungen auf Lehrkräfte und Unterricht.


Zunächst bedeutet dies natürlich, dass die Lehrkräfte mit ihrer eigenen Digitalkompetenz auf der Höhe der Zeit bleiben müssen. Speziell Grundschullehrer*innen stehen aber besonderen Herausforderungen gegenüber. Denn während an den weiterführenden Schulen unter den Jugendlichen jedenfalls der Kontakt mit digitalen Medien allgemein und zumindest Grundkenntnisse im Umgang mit digitalen Technologien als gegeben vorausgesetzt werden können, sieht das bei Grundschüler*innen noch ganz anders aus. „Da verfügen bisweilen schon Zweitklässler über ein eigenes Smartphone und nutzen fleißig Whatsapp, Tiktok und Youtube, während andere noch in der vierten Klasse einem strikten Handyverbot ihrer Eltern unterliegen“, wird in der Mitteilung betont. So müssten also Strategien entwickelt werden, um mit „dieser Vielfalt besser umzugehen“.


Ferner stellt auch die Lernstandserhebung eine Herausforderung dar: „Es gibt bislang keine deutschsprachigen Diagnoseinstrumente für Grundschulkinder, die Digitalkompetenzen in ihrer Breite erfassen“, so Tina Jocham vom Forschungsteam der Uni Würzburg. Mithin werden „unter dem Begriff ‚Digitalkompetenzen‘ viele verschiedene Fertig- und Tätigkeiten“ versammelt. Das geht bei ganz konkreten Fragen los: „Wie informieren sich Kinder, wenn sie zu einem bestimmten Thema recherchieren? Wissen sie, welchen Seiten sie trauen können und welchen eher nicht?“, beschreibt Jocham. Oder auch, was öffentliche und private Profile bei Social Media sind, was Phishing ist, was KI, usw. Ebenfalls schon in der Grundschule relevant sind Fragen des Datenschutzes und der Sicherheit.


Das Forschungsteam entwickelte hierfür einen Fragen- und Aufgabenkatalog für den Unterricht. An der Studie nahmen über 1.200 Grundschulkinder teil, der Fokus lag auf Fragen der Sicherheit im Netz. Die Ergebnisse sind allerdings eher durchwachsen: während zwar festgestellt werden konnte, „dass Kinder am Ende der Grundschulzeit durchaus über Wissen in den Bereichen Datenschutz und Sicherheit im Netz verfügen“ – jedoch: „Dass die Kinder entsprechend handeln beziehungsweise sich das Wissen auch in ihrem Verhalten niederschlägt, könne anhand der Ergebnisse allerdings angezweifelt werden.“


Auch die Bewertung von Netzinhalten ist bei den Grundschüler*innen ein Problem: „Schülerinnen und Schüler waren vor allem in den Bereichen ‚Täuschung‘ und ‚Persönlichkeitseingriff‘ mehrheitlich nicht dazu in der Lage, die Aufgaben erfolgreich zu lösen“, was jedoch nicht überraschend gewesen sei – „Phänomene wie Phishing, Clickbait oder Bots sind auch für Jugendliche und Erwachsene herausfordernd“, erläutert Jocham.


So steht die Vermittlung von Digitalkompetenzen in der Grundschule also weiterhin vor großen Herausforderungen. Dabei scheint insbesondere der Transfer von abstrakten Wissen hin zu praktischem Handeln noch ein Problem darzustellen. Um den Lehrkräften hier gezielt zu helfen, geht das Würzburger Forschungsteam auf Basis der Untersuchungen an die Arbeit, um ein geeignetes Diagnose-Tool zu entwickeln. „Lehrkräfte können mit seiner Hilfe Risikokinder erkennen und unterrichtliche Angebote entsprechend der Lernvoraussetzungen der Kinder planen, evaluieren und begleiten“, so Pohlmann-Rother. Das Ziel sei es, „Kinder angemessen auf eine sich stetig wandelnde Umwelt vorzubereiten.“

 

Quellen:


Grundschule aktuell 142 • Mai 2018: „Wozu digitale Medien in der Grundschule?“, Thomas Irion; online: grundschulverband.de/wp-content/uploads/2018/04/Artikel-Wozu-digitale-Medien-in-der-Grundschule.pdf


Uni Würzburg: Projekt „Digit.El“; online: www.paedagogik.uni-wuerzburg.de/grundschulpaedagogik/forschung-1/lehrkraefteprofessionalisierung-und-digitalisierung/digitel/

Uni Würzburg: „Auch Grundschulkinder brauchen Digitalkompetenzen“, Gunnar Bartsch, 16.09.2025; online: www.uni-wuerzburg.de/aktuelles/einblick/single/news/grundschule-digitalkompetenzen/

 

 

16.09.2025