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Drei Student*innen, ein Studium: Lehramt

„Die Idee, etwas Positives bewirken zu können, macht es das alles wert.“

Lehrerin schaut Kindern in einer Schulklasse beim Lernen über die Schulter. © freepik Lehrerin schaut Kindern in einer Schulklasse beim Lernen über die Schulter. © freepik
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Von Kita bis Schule

Viele träumen davon, irgendwann die Rolle zu tauschen und vor der Klasse zu stehen, statt darin zu sitzen. Welche persönlichen Motive dahinterstehen und was es letztendlich heißt, LehrerIn zu werden berichten drei Lehramtsstudent*innen der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

 

Hinter der Entscheidung für einen Ausbildungsweg steht meist ein langer Prozess, in dem Zukunftsvisionen, Möglichkeiten und Bedingungen abgewogen werden. Irgendwas mit Medien, Menschen oder Technik - so weit gehen die Berufswünsche meist schon früh. Aber je näher der Abschluss rückt, umso konkreter werden schließlich die Überlegungen, in welche Richtung es denn nun tatsächlich gehen soll.

Für im Durchschnitt jährlich 50.000 Abiturient*innen in Deutschland ist es das gewohnte Umfeld, in dem sie ihre berufliche Zukunft sehen: die Schule. 2021 waren drei von ihnen Sabrina, Marion und Lukas, die nach ihrem allgemeinen Abitur auf der FOS den Weg in den Lehrberuf einschlugen und uns aus heutiger Sicht – mit einer Menge gemachter Erfahrungen im Gepäck – einen ehrlichen Einblick in ihr Lehramtsstudium geben.

 

(K)eine leichte Entscheidung

 

Bei der Frage, warum sie sich für ein Lehramtsstudium entschieden hat, wird deutlich, dass der Entschluss für Sabrina, Lehramtsstudentin für Grundschullehramt mit dem Fachschwerpunkt Geschichte, schnell gefasst war: „Ich fand meine Grundschulzeit wirklich cool und habe es geliebt. Seitdem wollte ich auch immer Lehrerin werden.“ Deshalb hat sie bereits früh erste Schritte unternommen, um Erfahrungen zu sammeln, indem sie mit vierzehn Jahren Flüchtlingskinder beim Deutschlernen unterstützte: „Da habe ich gemerkt, dass es mir richtig Spaß macht, auch zu sehen, wenn die Kinder was verstanden haben und die Dankbarkeit zu spüren.“ Im Verlauf des Studiums absolvierte sie Praktika, die ihr erneut zeigten, dass sie sich auf dem richtigen Weg befindet und sie so in ihrem Vorhaben bestätigten: „Meine Betreuungslehrkraft hat mir auch oft gesagt, dass ich für den Job einfach gemacht bin. Und das gibt einem schon ein bisschen so den Impuls: ‚Ja, du machst das Richtige.‘ “

Für Marion war nicht sofort klar, welcher Weg es werden würde. Die Entscheidung hat sie gerne etwas herausgezögert: „Am einen Tag hätte ich das gemacht und am nächsten Tag hätte ich gerne das gemacht. Und irgendwann musst du dich halt entscheiden“. Lehramt war jedoch immer eine von mehreren Optionen, die das vereinten, was sie sich für ihren Berufsweg vorstellte: „Ich habe schon immer gerne mit Kindern zu tun gehabt (…) und weil ich meine eigene Schulzeit auch sehr schön fand, dachte ich mir, das ist generell ein Setting, das mir gefällt. Einfach mit sehr, sehr vielen Menschen.“ Auch ihr Umfeld bestärkte sie darin, da sie ihren Schwestern schon früh vermehrt Nachhilfe gab. Schließlich entschied sie sich für Realschullehramt mit den Schwerpunkten Deutsch, Geschichte und Wirtschaft.

Auch Lukas fand seine Leidenschaft unter anderem, indem er Nachhilfe gab. Die ersten Male, in denen er Freund*innen und Mitschüler*innen helfen konnte, waren Schlüsselmomente. Für ihn ist es grundsätzlich schön, anderen etwas beibringen zu können und deren Leben im besten Fall positiv zu beeinflussen. Praktika in Kita und Grundschule bestätigten ihn letztlich darin: „Da habe ich es eigentlich mehr und mehr gemerkt, dass ich auf jeden Fall was mit Kindern machen will.“ Seine Motivation für das Studium und seine ursprüngliche Fächerkombination, Mathe und Englisch für Gymnasien, hatte auch damit zu tun: „Mathe ist halt bei vielen so ein Angstfach. Da hatte ich die Hoffnung, einfach bei ein paar Schülern diese Angst wegzukriegen und vielleicht sogar ein bisschen Spaß dran zu erzeugen.“ 
Mittlerweile studiert er – wie viele andere seines Jahrgangs – nicht mehr Mathe: „Wir haben mit 200 Leuten angefangen, inzwischen sind noch 25 übrig.“ Der Anspruch des Fachs ist nicht zu unterschätzen: „Wir haben in der ersten Vorlesung Zahlen abgeschafft und mit Mustern gerechnet.“ Schließlich tauschte er Mathe gegen Informatik, was ihn jedoch nicht von seinem ursprünglichen Plan abbrachte: „Ich möchte Mathe als Erweiterungsfach wieder hinzufügen.“

 

Mit der Entscheidung ist es nicht getan

 

Doch wie viele Student*innen – unabhängig vom Studiengang – nachvollziehen können, bleibt diese gewisse Unsicherheit nach der getroffenen Entscheidung, ob es denn wirklich das ist, was man sich vorstellt. Marion absolvierte deshalb nach dem Abitur Praktika. Diese gaben ihr zwar Einblicke ins Schulleben aus Perspektive einer Lehrkraft, zeigten ihr aber auch nur einen kleinen Ausschnitt: „Ich wusste dann, dass es mir jetzt für eine Woche gefallen hat, aber wer sagt mir, dass es mir halt quasi fürs Leben gefällt? (…) Besonders wenn das, was mir Spaß macht, halt nur 50 Prozent von meinem Job einnimmt und alles andere trotzdem noch dazugehört.“ Schließlich ist ein großer Teil des Lehrberufs eine umfangreiche Vor- und Nachbereitung von Unterrichtsstunden, Korrekturen und Planungen, die meist privat passieren: „Da kannst du halt auch nicht reinschauen.“

Für Sabrina, die sich in ihrer Wahl sehr sicher war, waren die praktischen Erfahrungen – besonders die ersten Pflichtpraktika im Studium – trotzdem ausschlaggebend: „Da hat man viel Unterricht gehalten und dann Feedback bekommen, auch von den Kindern.“ Für sie ist es einfach das Richtige. Besonders gezeigt zu bekommen, dass sie ihre Sache gut macht, bestätigte sie in ihrer Berufswahl. Dennoch ist sie sich bewusst: „Das klingt jetzt richtig so, als wäre einfach alles super und toll. Das ist es auch für mich, aber natürlich gibt es auch negative Sachen.“ Denn besonders das Studium an sich ist kein Zuckerschlecken und stellt die Studierenden in den meisten Fällen vor große Herausforderungen.

 

Herausforderungen zwischen Theorie und Praxis

 

Ein Aspekt, in dem sich dabei alle drei einig sind, ist der fehlende Praxisbezug. Sabrina macht deutlich: „Das Studium ist interessant, aber es bereitet nicht ansatzweise auf die Praxis vor, finde ich (…) Ohne die Praktika wäre es echt nicht gut gegangen.“ Die Wichtigkeit der Praxiserfahrungen unterstreicht auch Marion: „Ich brauche noch immer Ewigkeiten für die Vorbereitung einer Unterrichtsstunde. Aber wenn du in den Praktika ein bisschen aufpasst, wie man eine Stunde aufbaut, dann wird man auch ein bisschen schneller.“

Auch der Anteil der Didaktikfächer, also die Kurse, in denen man lernen soll, wie man die Inhalte im Unterricht vermitteln kann, ist sehr knapp bemessen: „In Geschichte hast du zum Beispiel nur zwei Semester Didaktik und der Rest ist Fachwissen“, merkt Sabrina an. Marion fühlt sich durch die wenigen didaktischen Studieninhalte insbesondere auch nicht ausreichend vorbereitet: „Im Großen und Ganzen kann ich jetzt nicht sagen: ,Ich gehe in die Schule und bin vorbereitet für die Zukunft.‘ Mindestens 95% sind nur Inhalt und nicht, wie man vermittelt und dann erst recht nicht, mit welcher Technik man vermittelt.“ Doch nicht nur der geringe Umfang ist ein Problem. Auch Widersprüchlichkeiten in den didaktischen Ansätzen, die den Transfer in den späteren Arbeitsalltag erschweren, sind ein Thema, wie Lukas hervorhebt: „Gerade in Erziehungswissenschaften lernst du im kompletten Frontalunterricht, dass du so auf keinen Fall jemals unterrichten solltest.“

Aber trotz aller Widrigkeiten und Unsicherheiten legen die Drei den Fokus auf das Ziel und ihre persönliche Vorstellung der Zukunft. Für Lukas ist klar, dass das Positive überwiegt: „Das würde ich trotzdem unterschreiben.“ Auch wenn er diese Aussage für das Studium an sich, mit einem Zwinkern relativiert, meint er: „Der Beruf am Ende (…), also die Idee, da was Positives bewirken zu können, macht es das alles wert.“

 

Erfahrungen, die Mut machen

 

Damit angehende Lehramtsstudent*innen nicht völlig unvorbereitet ins Studium starten, geben Sabrina, Marion und Lukas ein paar Tipps mit auf den Weg.

Für Sabrina ist klar: Alleine schafft man es nicht: „Als Einzelkämpfer kommst du nicht weit. Egal ob beim Austausch von Informationen, Ideen oder Unterrichtsmaterial.“ Sie rät außerdem dazu, sich die Studienbeschreibung genau anzuschauen und die Fächerwahl bewusst zu treffen: „Lest euch die Studienbeschreibung gut durch und macht es nicht einfach, weil ihr denkt: ‚Ich war gut in der Schule, ich mach das jetzt.‘ “ Lukas betont vor allem den Unterschied zwischen Schule und Studium: „Erwartet nicht die Schulfächer. Gerade in Mathe. (…) Man macht irgendwann nur noch Theorie, kein Rechnen, sondern Beweise und wissenschaftliches Arbeiten.“ Marions Einstellung zum Studium ist gleichzeitig ermutigend und realistisch: „Es kann nicht schaden, es zu versuchen, weil selbst wenn es am Ende nicht der Lehrerberuf wird, dann hat man mit dem Staatsexamen auch gute Chancen. Dann ist es vielleicht ein bisschen schwierig gewesen und man hätte es leichter haben können. Aber dann schockt dich nichts mehr.“

Wer also Lehramt studieren will, sollte sich seiner Entscheidung bewusst sein und es nicht mit der Vorstellung beginnen, einen Vormittagsjob mit langen Ferien zu haben. Das Studium stellt die Studierenden früh vor große Herausforderungen: Die Anforderungen sind hoch, der Praxisbezug kommt oft zu kurz, und die Fülle an Inhalten kann überwältigend sein.
Am wichtigsten ist dabei, den Fokus nicht zu verlieren und die Praxiserfahrungen als Schlüssel zu betrachten. Mit der richtigen Motivation, einem realistischen Blick auf die Herausforderungen und einem guten Netzwerk kann das Ziel, als Lehrkraft etwas Positives zu bewirken, am Ende genau das sein, was die Mühen wert macht.

 


Autorin: Lara Wachter schloss im Oktober 2024 ihr duales Bachelorstudium in BWL mit dem Schwerpunkt Personalmanagement ab und entschied sich, ihr Interesse für den Journalismus in Form eines weiteren Studiums beruflich zu verfolgen. Seit April 2025 ist sie als Werkstudentin in der Projektorganisation des Instituts für Talententwicklung tätig und schreibt nebenbei für das vocatium Magazin.

 


Quellen:

 

Deutscher Bundestag: „Zahl der Studienanfänger im Lehramt geht zurück“, 20.12.2023; online: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-984312 

Süddeutsche Zeitung: „Zu wenig Personal an Schule: Wo sind sie denn, die Lehrer?“, von Paul Munzinger, 03.01.2023; online: https://www.sueddeutsche.de/politik/lehrermangel-ursachen-zahlen-1.5724273 

Gespräch mit Sabrina Ballenberger, Marion Höflmair und Lukas Aschenbrenner (geführt von Lara Wachter)

 

 

 

15.09.2025