An KI führt kein Weg mehr vorbei. Doch viele Schulen tun sich noch schwer mit der neuen Technologie. Die Bildungsforscherin Dr. Lea Schulz plädiert im Interview für einen konstruktiven Umgang mit KI.
IfT: Bei uns ist Dr. Lea Schulz, Sonderpädagogin und Lehrbeauftragte an der Uni Flensburg. Lea, wenn man deine offizielle Berufsbezeichnung vorliest, braucht man schon eine Weile: Du bist Educational Engineer im Landesprogramm „Zukunft Schule im digitalen Zeitalter“ in der Abteilung „Pädagogik bei Beeinträchtigung von Sprache und Kommunikation“ am Institut für Sonderpädagogik an der Europa-Uni Flensburg. Kannst du uns vielleicht zum Einstieg erzählen, was du da eigentlich machst und wie du da hingekommen bist?
Dr. Lea Schulz: Ja, sehr gerne. Mein Hauptthema ist Diklusion, ich forsche also rund um die Fragen: Was bedeutet digitale Teilhabe? Was hat Inklusion mit digitalen Medien zu tun? Und wie können wir chancengerecht digitale Medien u. a. in der Schule unterbringen? Dabei habe ich das gesamte Bildungssystem im Blick, bin aber stark auf die Schule spezialisiert. Ich arbeite im Landesprogramm „Zukunft Schule im digitalen Zeitalter“, in dem es vor allem darum geht, dass wir die Fortbildungsmaterialien, aber auch Materialien für Schule evidenzbasiert entwickeln und erforschen, welche Möglichkeiten digitale Medien eigentlich bieten. Es gibt viele Menschen wie mich an den Universitäten, die das tun und zum Landesprogramm gehören. Während mein Fokus auf dem Bereich Diklusion liegt, konzentrieren sich andere etwa auf den Bereich Fachdidaktik. Wir haben also Menschen für Deutsch, Mathematik und so weiter. Das Ziel ist dabei stets die Verzahnung von Forschung und Praxis. Wir leben in einer digitalen Transformation innerhalb unserer Gesellschaften, die sich auch in unseren Schulen und Bildungsstätten abbilden muss.
Wie ich zur Erforschung der Diklusion gekommen bin, ist eine lange Geschichte: Ich habe nach meinem Studium entschieden, nicht direkt ein Referendariat zu machen. Stattdessen war ich damals daran beteiligt, bettermarks aufzubauen – eine Lernplattform für Mathematik, zu dieser Zeit noch ein Start-up. Hierbei habe ich Blut geleckt und gemerkt: Digitale Medien sind eine tolle Sache! Dann bin ich doch ins Referendariat gegangen und habe meine Expertise, meine Ideen, meine Visionen mitgenommen und eng mit der Frage der Unterrichtspraxis verknüpft. Damals kam das erste iPad zu uns ins Förderzentrum. Ich habe damit vor allem an der Grundschule gearbeitet und viele sehr positive, aber auch exkludierende Erfahrungen gesammelt. Daraus ist dann der Bereich Diklusion entstanden. Außerdem habe ich mich mit der Schulentwicklung beschäftigt, habe in allen drei Phasen der Lehrerbildung gearbeitet und bin jetzt vor allem im Bereich der Forschung tätig. Ich nehme meine Praxiserfahrung aktiv mit in meine Arbeit, weil es mir wichtig ist, auch für die Praxis zu forschen und wirklich Inklusion und Diklusion in unseren Schulen leben zu können.
IfT: Du hast das Stichwort „Diklusion“ erwähnt. „Inklusion“ ist ja weitgehend bekannt – also der Unterricht gemeinsam mit beeinträchtigten Schüler*innen statt in separaten Klassen. Aber was genau verstehst du unter „Diklusion“?
Schulz: Diklusion ist ein Kofferwort aus „digitalen Medien“ und „Inklusion“. Aus meiner Perspektive bildet Diklusion aber nicht nur eine Schnittmenge dieser beiden Begriffe. Stattdessen geht es vor allem darum, digitale Medien so einzusetzen, dass wir digitales Lernen aktiv unterstützen können.
Sicherlich ist die Barrierefreiheit in diesem Zusammenhang ein bekanntes Stichwort – neben noch wichtigeren wie Adaptivität, kollaborativ arbeiten, individualisiert, differenzsensibel. Diese Themen bedeuten vor allem, dass Technologien nicht zur Selektion eingesetzt werden sollen. Als Pädagog*innen stellen wir die Frage, welche neuen Barrieren durch digitale Medien entstehen. Auf der anderen Seite betrachten wir die Potenziale, die die digitalen Medien für eine Bildung für alle eröffnen.
Hierfür verwenden wir einen möglichst weiten Inklusionsbegriff, der nicht nur Menschen mit Beeinträchtigungen umfasst, sondern der Frage nachgeht, wie wir einen guten Bildungsraum für alle schaffen. Natürlich stehen Schüler*innen mit Beeinträchtigungen hierbei im Mittelpunkt, aber es gibt viele weitere Menschen, die Unterstützung benötigen. Im Grunde profitiert jedes Individuum von einer Perspektive, die danach fragt, wo die individuellen Potenziale liegen und welche nächsten Schritte in der eigenen Entwicklung sinnvoll sind. Wenn wir Bildung für alle gestalten wollen, müssen wir auf die persönlichen Unterschiede der Schüler*innen Rücksicht nehmen und in unsere methodisch-didaktischen Überlegungen einbeziehen. Deswegen ist die Diklusion auch in die Themen der Schulentwicklung, Fortbildung, Partizipation, aber auch der Unterrichtsentwicklung eingebunden.
Entstanden ist Diklusion in der Schulentwicklung. Als wir die Medienentwicklung mit unseren Schulen planen sollten, wurde irgendwann klar: Wenn wir Chancengerechtigkeit und Inklusion nicht von vornherein konsequent und systematisch mitdenken, müssen wir später noch einmal von vorn beginnen. Wir brauchten diesen Begriff, um deutlich zu machen, dass man das eine nicht ohne das andere denken kann.
IfT: Nun ist das Thema KI heute ja in aller Munde und jedenfalls beim nicht inklusiven Regelunterricht ist die Diskussion eher kritisch: Da gehts dann zum Beispiel ums Schummeln mit ChatGPT, aber vergleichsweise selten um die Frage, welche Chancen KI-Lernapps im Unterricht bieten. Ich könnte mir vorstellen, dass der Zugang aus der Perspektive des diklusiven Unterrichts ein ganz anderer ist. Wie siehst du das Thema KI an der Schule – und welche Möglichkeiten bietet KI für den diklusiven Unterricht?
Schulz: Zunächst muss man festhalten, dass KI nicht einfach wieder verschwindet. Sie ist jetzt da und wir müssen uns mit ihr auseinandersetzen, auch wenn das ganz schön anstrengend sein kann. Aus Sicht von Pädagog*innen gibt es dabei jedoch viele Risiken und Schwierigkeiten. Zum Beispiel können mithilfe von KI sämtliche Hausaufgaben mit einem Klick erledigt werden. Ich appelliere an alle, hier genau hinzuschauen: Es geht nicht in erster Linie darum, mithilfe entsprechender Tools herauszufinden, ob Schüler*innen geschummelt haben oder mit KI arbeiten. Stattdessen sollten wir einen Blick auf die gesellschaftliche Transformation werfen und schauen, in welche Richtung sich dieser Prozess entwickelt: Was können KI-Tools für unsere Gesellschaft und unsere berufliche Entwicklung leisten? Langfristig werden hierfür ganz neue Kompetenzen benötigt, weshalb wir auch unsere Prüfungs- und Übungsformate in der Schule anpassen müssen. Die perfekten Lösungen sind hier noch nicht gefunden, aber es gibt Ideen, die über die klassische Unterrichtsgestaltung hinausgehen. Beispielsweise ist es sinnvoll, nicht alle Aufgaben schriftsprachlich zu erledigen, sondern auch Reflexionsaufgaben, kooperative Gruppenaufgaben und kollaborative Formate in den Unterricht zu integrieren, um Kompetenzen zu fördern, die auch im späteren Berufsleben eine wichtige Rolle spielen.
Aus der diklusiven Perspektive heraus sehe ich KI als einen potenziellen Ermöglicher von Teilhabe, gleichzeitig besteht aber auch die Gefahr von Exklusion. Auf der einen Seite sehen wir viele neue Möglichkeiten, die auf der anderen Seite aber manchmal nur vermeintlich vorhanden sind oder erst noch entwickelt werden müssen. Da gäbe es zum Beispiel intelligente Systeme, die Lernoberflächen mit verschiedenen Zugängen bereitstellen – mal als Audio, mal als Video, mal als Text, sodass sie besser zu mir als lernendes Individuum passen. Außerdem arbeiten wir mit personalisierten Rückmeldungen, Training kommunikativer Kompetenzen, Barrierefreiheit, Text-to-Speech- und Speech-to-Text-Angeboten. Langfristig ist auch die Verwendung von Avataren, die als digitale Hilfsmittel für Gebärdensprache und andere barrierefreie Zugänge dienen, von zunehmender Bedeutung. An einigen Stellen funktioniert das schon gut, an anderen Stellen handelt es sich noch um Visionen. Gerade für Schüler*innen mit besonderem Unterstützungsbedarf können wir mittlerweile adaptive Zugänge zu Lerngegenständen schaffen, die wir vorher als Pädagog*innen mühsam erarbeiten mussten. Die Unterrichtsvorbereitung kann hier viel inklusionssensibler erfolgen, als das bisher möglich war.
Gleichzeitig verstärkt KI aber auch Ungleichheiten, die einen neuen Gap verursachen könnten: Zum Beispiel hat nicht jeder den gleichen Zugang zu KI, etwa weil sich nicht jeder die Vollversion von ChatGPT leisten kann, obwohl die eigenen Noten davon abhängen. Auch bei der Vorbereitung der Schüler*innen auf den Unterricht besteht die Gefahr einer digitalen Spaltung – des sogenannten „digital divide“ –, weil ihre Leistungen auch davon abhängen, ob und inwieweit sich Eltern um die Medienkompetenzen ihrer Kinder kümmern. Deshalb ist die Behandlung von KI im Unterricht durch die Lehrkräfte zukünftig von zentraler Bedeutung. Und schließlich dürfen wir nicht vergessen, dass KI auch selbst Ungleichheiten verstärken kann. Bei der Arbeit mit dem Datenmaterial können sogenannte „bias“ entstehen. Dabei handelt es sich um Verzerrungen innerhalb des Systems, wodurch zum Beispiel marginalisierte Gruppen ausgeschlossen werden. So entstehen weitere Probleme, die wir zukünftig noch stärker im Blick behalten müssen.
IfT: Kannst du konkrete Beispiele für gute KI-Tools geben, die ohne KI als Grundlage nicht oder nicht ohne Weiteres möglich wären?
Schulz: Eine wesentliche Entwicklung stellen aktuell die sprachbasierten Modelle, die LLMs, dar. Sie sind sehr leistungsfähig und dazu in der Lage, Mehrsprachigkeit mit einzubeziehen sowie Differenzierung, Personalisierung und damit langfristig Individualisierung zu leisten – sodass wir uns zukünftig noch besser an das jeweilige Individuum anpassen können. Zum Teil ist das aber noch Zukunftsmusik.
IfT: Wie verändern KI-Tools die Rolle von Lehrkräften im Unterricht? Oder tun sie das überhaupt? Es gibt ja tatsächlich schon Ideen, die Lehrkraft langfristig fast ganz durch KI-Systeme zu ersetzen. Die Lehrer*innen würden dann eher als Mediatoren und Organisatoren auftreten, aber die eigentliche Lehrtätigkeit hauptsächlich KIs überlassen.
Schulz: Ich kann nur sagen: keine Sorge! Der Mensch wird langfristig gebraucht. Bevor wir Lehrkräfte abschaffen und es lehrkräftefreie Räume gibt, haben wir noch viele andere Dinge zu tun. Für den Unterricht hat die KI ein großes Potenzial, weil uns die Unterrichtsvorbereitung, die Diagnostik und die Lernstandserfassung aktuell viel Zeit kosten. Hierbei kann uns die KI zukünftig unterstützen.
Sofern wir es zulassen, wird sich die Rolle der Lehrkräfte verändern. Ich hoffe, dass sich die Schule transformiert und wir als Lehrkräfte stärker zur Lernbegleitung werden – sodass viel mehr die sozialen Kompetenzen, die Prozesskompetenzen sowie die emotionale und soziale Begleitung von Schüler*innen in den Fokus rücken. Lehrkräfte würden dann Lernprozesse orchestrieren, das heißt zusammenstellen, noch stärker reflektieren und individualisieren. Wir würden schauen, wie wir Schüler*innen unterstützen können, gemeinsam auf das Feedback blicken und fragen: Was ist dein nächster Schritt? Wie gehst du jetzt vor? Übergeordnete Lernstrategien, die oft in den Hintergrund rücken, aber notwendig sind, um lebenslanges Lernen zu trainieren, würden damit eine größere Rolle spielen. Eine solche Transformation der Schule würde auch der Tendenz entgegenwirken, dass die älteren Schüler*innen nach der Schule nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen, nach dem Motto: Endlich ist die Schule zu Ende! Natürlich ist das nicht überall so, und es gibt tolle Lehrkräfte und tolle Schulen, die viel leisten.
Ich habe die Hoffnung, dass wir stärker in Richtung Lernbegleitung der Kinder gehen können. Die Themen Inklusion und Diversität halte ich für besonders wichtig. Wir benötigen mehr Zeit für den Einzelnen, um zu schauen: Warum kommt er oder sie im Lernprozess nicht weiter? Wo stagniert es? Wie schaffen wir es, dass Schüler*innen besser zusammenarbeiten können? Tatsächlich fördert die Auseinandersetzung mit KI, dass wir intensiver über Prüfungsformate, Hausaufgaben usw. nachdenken.
Wenn wir aber sagen, dass wir KI gar nicht nutzen wollen, sie stattdessen verbieten und den Unterricht wie früher gestalten, ignorieren wir die digitalisierte Gesellschaft, in der KI ein wichtiger Faktor ist, um teilhaben zu können. Im Gegenzug besteht aus meiner Sicht eine große Chance darin, unsere Bildungsprozesse gerade mithilfe von KI zu verbessern.
IfT: Wo siehst du konkrete Probleme oder Grenzen der neuen Technologie? Welche Herausforderungen stellen sich?
Schulz: Aus meiner Perspektive ist das größte Problem bei der KI-Technologie der sogenannte „digital AI divide“, also die digitale Spaltung. Diese können wir bereits beobachten – sowohl in Deutschland als auch weltweit. Es gibt ungleiche Zugänge zu KI, fehlende Kompetenzen und diskriminierende Algorithmen, die marginalisierte Gruppen benachteiligen.
Meine größte Sorge wurde durch den EU AI Act zumindest teilweise entkräftet. Bisher war zu befürchten, dass sich Diagnostik-Tools entwickeln, die auch die Notengebung übernehmen würden. Ein KI-Tool würde dann mit dem Schüler oder der Schülerin arbeiten und zugleich diagnostizieren, ob das Kind ans Gymnasium oder lieber auf eine andere Schule gehen sollte. Damit wären Bildungswege von einer KI-Einschätzung abhängig. Der EU AI Act hält hingegen explizit fest, dass eine KI keine eigenständigen Entscheidungen über Bildungswege, Noten oder Ähnliches treffen darf. Ich finde es begrüßenswert, dass die dort erabeiteten Regularien der Benachteiligung bestimmter Gruppen von Schüler*innen entgegenwirken.
Darüber hinaus ist das Thema Datensicherheit für uns von zentraler Bedeutung. Auch Transparenz und pädagogische Steuerung sind Themen, mit denen wir uns noch stärker als bisher auseinandersetzen werden. Ich glaube, dass wir in politischer Hinsicht verbindliche ethische Leitlinien brauchen – aber gleichzeitig auch Gestaltungsräume, um überhaupt Erfahrungen sammeln zu können. Dafür ist es notwendig, rechtzeitig Fortbildungsangebote zu schaffen. Mein Eindruck ist, dass wir solche Fragen in Deutschland nur sehr verhalten behandeln und deshalb schon einen Tick zu spät dran sind.
Ich war kürzlich auf einer Konferenz zum Thema KI in Göteborg. Gefühlt 75 Prozent der Konferenz bestand aus Asiat*innen, die ihre Konzepte eingebracht haben. Es gab wenige Menschen aus dem deutschen Raum, die Ideen hatten. Wir sind sehr vorsichtig im Bildungsbereich. An vielen Stellen ist diese Vorsicht auch berechtigt, aber gleichzeitig müssen wir in der Lage sein, unsere Pädagog*innen rechtzeitig fit zu machen. Bis eine technische Infrastruktur vorhanden ist und sich alle Lehrkräfte in die neuen Prozesse eingefunden haben, vergeht noch viel Zeit. Das sind Herausforderungen, mit denen wir uns jetzt auseinandersetzen müssen.
IfT: Zum Schluss werfen wir noch einen Blick in die Glaskugel: Digitalisierung und Schule sind in Deutschland bekanntlich ein schwieriges Thema – und KI ist da keine Ausnahme. Im Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung kam kürzlich heraus, dass sich lediglich 6 Prozent der Lehrkräfte im Umgang mit KI-Tools „sehr sicher“ fühlen, 21 Prozent dagegen „sehr unsicher“. Welche Rolle wird KI deiner Meinung nach in den kommenden fünf bis zehn Jahren im inklusiven Unterricht spielen, oder auch allgemein in der Schule? Und sind wir darauf überhaupt vorbereitet?
Schulz: Nein, wir sind nicht ausreichend darauf vorbereitet, weil wir gar nicht genau wissen, was auf uns zukommt. Trotzdem müssen wir jetzt anfangen zu agieren. Allerdings entwickeln sich die Systeme rasend schnell. So wird zum Beispiel sehr intensiv an der sogenannten „Superintelligenz“ gearbeitet, der AGI. Obwohl ich mich jeden Tag mit diesem Thema beschäftige, habe ich jetzt schon den Eindruck, dass ich mit der aktuellen Entwicklung kaum Schritt halten kann. Wir müssen Lösungen dafür finden, wie Lehrkräfte und Pädagog*innen bei diesen Themen den Anschluss nicht verlieren. Es ist nicht mehr zielführend, davon auszugehen, dass jemand an der Universität studiert, fit für den Unterricht gemacht wird und das auch immer so bleibt, vielleicht unterstützt durch die eine oder andere Fortbildung. Vielmehr benötigen wir in der Schulentwicklung systematisch Mechanismen, die die neuen Innovationen und Ideen, das Wissen über Gefahren und Potenziale von KI-Systemen in den Schulalltag integrieren. Bisher haben wir noch keine gut funktionierenden Schneeballsysteme entwickelt, bei denen Expert*innen Ideen ausarbeiten, die dann in der Schule erprobt werden, um weitere Erfahrungen zu sammeln.
Obwohl wir auf die Zukunft nicht vollständig vorbereitet sein können, sehe ich die aktuelle Entwicklung insgesamt positiv und hoffe, dass wir in fünf bis zehn Jahren einen diklusiven Unterricht bereitstellen können. Dieser ist dann natürlich von KI, gleichzeitig aber auch kooperativ-kollaborativ geprägt. Kritisches Denken muss darin gefördert werden, nicht zuletzt, um unsere Demokratie aufrechtzuerhalten. Eine der größten Gefahren besteht darin, dass durch KI generierte Fake News nicht mehr eingefangen werden können, weil sie äußerst real wirken. Dem können wir meines Erachtens nur durch geeignete Bildung entgegenwirken. Unsere Demokratie ist somit essenziell abhängig von unserem Bildungssystem. Meine Hoffnung besteht darin, dass wir diesen an KI angepassten Bildungsprozess rechtzeitig angehen und bereits vor der Grundschule damit beginnen. Schließlich werden bereits viele Kita-Kinder mit Alexa oder ähnlichen KI-Assistenten in ihrem Zuhause konfrontiert. Sofern es gelingt, die Arbeit und die Auseinandersetzung mit KI als selbstverständlichen Bestandteil in den Unterricht zu integrieren, gibt es keinen Konflikt mehr zwischen analogem und digitalem Unterricht. Stattdessen wird beides miteinander vernetzt, etwa indem die Schüler*innen nicht mehr in den Computerraum gehen, sondern situationsabhängig digitale Mittel nutzen. Ich gehe davon aus, dass wir in fünf bis zehn Jahren praxisnahe Konzepte und eine systematische Vernetzung, aber gleichzeitig auch didaktische Richtlinien und Fortbildungsangebote erarbeitet haben, um KI inklusiv und chancengerecht zu denken.
IfT: Vielen Dank für das Interview!