vocatium Magazin / Wissenschaft und Politik / Smartphones an der Schule: Verbote mehren sich

Smartphones an der Schule: Verbote mehren sich

Drogeriekette Rossmann macht sich für Smartphoneregulierung stark

Schülerin am Smartphone (Symbolbild). Bild von Freepik. Schülerin am Smartphone (Symbolbild). Bild von Freepik.
Beitrag teilen
Wissenschaft und Politik

Das Thema „Smartphone an der Schule“ ist seit Jahren heiß umstritten. Mit dem aktuellen Schuljahr wurden in vielen Bundesländern neue Regelungen für die Schulen eingeführt. Erste Erfahrungen in Hessen sind offenbar positiv.

 

(ps) Was heute selbstverständlich wirkt – dass Schülerinnen und Schüler bereits in frühen Klassenstufen eigene Smartphones benutzen; dass diese Alltagsgerät und ständiger Begleiter sind – war vor noch nicht allzu vielen Jahren kaum vorstellbar. In kurzer Zeit verbreitete sich diese Technologie rasant – heute sind Smartphones in weiten Teilen der Bevölkerung Alltag und greifen in viele Lebensbereiche ein: Kommunikation, Lernen, Freizeit, soziale Medien, Navigation, Kontoführung usw. Einige Dienste und Services sind heute gar nicht mehr ohne die passende App auf dem Smartphone möglich.


In den Altergruppen zwischen 14 und 59 Jahren liegen die Nutzungszahlen laut Statista durchweg bei teils deutlich über 90 Prozent. In der Gruppe der 60- bis 69-jährigen nutzen immer noch über 85 Prozent Smartphones, und selbst in der Altersgruppe über 70 sind es mit gut 68 Prozent deutlich über die Hälfte. Der Branchenverband der Informationswirtschaft bitkom sieht bei den Kindern und Jugendlichen eine Nutzungsschwelle, die im Alter von 10 bis 12 Jahren stattfindet: Während bei den 6- bis 9-jährigen „erst“ 17 Prozent ihr eigenes Smartphone besitzen, springt dieser Wert bei den 10- bis 12-jährigen auf 76 Prozent.


Vor diesem Hintergrund wird schon seit Jahren teils heftig darüber diskutiert, ob Smartphones im Unterricht bzw. an den Schulen erlaubt sein sollen oder nicht. Da dies (bislang) in der Entscheidungshoheit der Schulen selbst liegt, sieht das Bild entsprechend bunt aus: Am einen Ende der Skala gibt es Schulen, die überhaupt keine offiziellen Regelungen zu Smartphones haben, am anderen Ende stehen Schulen, die ein komplettes Verbot ausgesprochen haben. Einige Bundesländer haben nun allerdings Regelungen beschlossen, die ab dem Schuljahr 2025/26 gelten.


Zu den häufigeren Pro-Verbotsargumenten zählen, dass Smartphones vom Unterricht ablenken und die Konzentration stören, die Kreativität vermindern, Cybermobbing an der Schule ermöglichen, und das psychische Wohlbefinden beeinträchtigen. Sofern die Eltern nicht selbsttätig die Smartphonenutzung ihrer Kinder regulieren, ermöglicht ein fehlendes Verbot zudem quasi eine ununterbrochene Nutzung von morgens bis abends und begünstigt damit Suchtverhalten.


Auf der Contra-Verbotsseite wird darauf verwiesen, dass ein Smartphone auch ein gutes Lernmittel sein kann, die Schulen einen verantwortungsvollen Umgang mit der Technologie nur vermittel können, wenn sie erlaubt ist, und Mobbing dann im Zweifel einfach nach der Schule stattfindet aber das Problem nicht verschwindet. Mitunter wird auch die Meinung vertreten, dass die Verbotsdiskussion aus einer Überforderung der Erwachsenen heraus erfolge und es eigentlich gar kein echtes Problem gebe.


Politisch entschieden wurde nun, sich eher auf die Pro-Verbotsseite zu schlagen. In vielen Bundesländern geht der Trend nachdrücklich zum Smartphoneverbot an Grundschulen. Schleswig-Holstein und Bremen haben sich für ein Verbot bis zur 9. bzw. 10. Klasse entschieden, in Mecklenburg-Vorpommern gibt es dahingehende, aber nicht bindende Empfehlungen vom Bildungsministerium. Besonders streng ist Hessen: dort gilt nun ein prinzipielles Verbot von privater Smartphonenutzung an Schulen. Mitgebracht werden darf bzw. soll es aber, sowohl für Notfälle, als auch für die schulische Nutzung im Unterricht. Einige Länder haben Regelungen noch in Planung, abseits von Grundschulen sind jedoch keine weiteren strikten Verbote geplant, und manche Länder, wie Sachsen-Anhalt oder Hamburg, haben sich gegen landesweite Vorgaben entschieden und verweisen auf die Entscheidungshoheit der Schulen in dieser Frage.


In Niedersachsen gibt es ebenfalls keine einheitlichen Regelungen und das Bildungsministerium zeigt sich Verboten gegenüber – auch hier mit der Ausnahme Grundschule – eher ablehnend. Nun kommt in Niedersachsen aber von unerwarteter Seite wieder Bewegung in die Sache: Die Drogeriekette Rossmann startete mit regionalen Partnern jüngst die Kampagne „Handyfrei bis zur 10. Klasse“. Als Familienunternehmen übernehme Rossmann seit „jeher soziale Verantwortung für nachfolgende Generationen“, wie es in einer Mitteilung zur Kampagne heißt. Das Unternehmen verweist dabei auf Empfehlungen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die ebenfalls „Handyfreie Zeiten und Zonen bis zur 10. Klasse“ als notwendig ansehe.


Raoul Roßmann betont: „Es braucht jetzt die Umsetzung dieser klaren wissenschaftlichen Empfehlung in verbindliche schulische Regelungen“. Es stelle sich die Frage, worauf Niedersachsen angesichts der Leopoldina-Empfehlung, „eines der höchsten wissenschaftlichen Beratungsgremien“, noch warte. Es dürfte das erste Mal sein, dass sich ein Privatunternehmen derart nachdrücklich und überregional zu dieser Frage positioniert. Damit wird deutlich: Die Frage, wie wir als Gesellschaft mit unseren digitalen Zugängen umgehen ist nicht mehr nur eine Privatangelegenheit oder eine Frage, die die Politik nicht berührt.


In Hessen jedenfalls sind die ersten Erfahrungen offenbar positiv: Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, sei durch das generelle Verbot schon jetzt Ruhe in die Sache gekommen: Schulen und Schulleitungen müssten nun nicht mehr mit Eltern und Schüler*innen über Verbot oder Erlaubnis diskutieren, und auch die Schüler*innen selbst zeigten sich, jedenfalls gegenüber der SZ-Journalistin, eher einsichtig. Die Landesschüler*innenvertretung habe die hessische Regelung dagegen als „realitätsfern und nicht zukunftsorientiert“ kritisiert, so die SZ. Und das nächste Problem winkt bereits am Horizont: Schulleiterin Cornelia Schein macht darauf aufmerksam, dass mit den immer populärer werdenden Smartwatches am Handgelenk neue digitale Kanäle im Unterricht ablenken.

 

 

Quellen:


Bitkom: „Ab 10 Jahren haben die meisten Kinder ein eigenes Smartphone“, PM vom 02.12.2024; online: www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Ab-10-Jahren-haben-meisten-Kinder-eigenes-Smartphone

Deutsches Schulportal: „Handyverbot an Schulen – ja oder nein: Was sagen die Studien?“, Alexander Brand, 25.09.2025; online: deutsches-schulportal.de/schulkultur/handyverbot-an-schulen-ja-oder-nein-was-sagen-die-studien/

Dirk Rossmann GmbH: „Forderung nach klaren Handyregeln an Schulen – ROSSMANN macht Druck auf Niedersachsens Politik“, PM vom 03.11.2025; online: www.presseportal.de/pm/77565/6149945

inFranken.de: „Kommt ein Smartphone-Verbot an Schulen? Hitzige Debatte wirft Fragen zur Handy-Nutzung auf“, Alexander Milesevic, dpa, 08.09.2025; online: www.infranken.de/ratgeber/technik/internet-handy/smartphone-verbot-an-schulen-das-sind-die-pro-und-contra-argumente-art-6261351

Statista: „Smartphone-Nutzung in Deutschland“, Themenstudie; online: blogs.fu-berlin.de/hci2023/files/2023/05/study_id71707_smartphone-nutzung-in-deutschland.pdf

Süddeutsche Zeitung: „Wir sind nicht die Smartphone-Polizei“, Kathrin Wiesel-Lancé, 19.09.2015; online [Bezahlinhalt]: www.sueddeutsche.de/politik/handyverbot-hessen-schueler-schule-li.3313010 

 

 

 

05.11.2025