Die vorgesehene Regelstudienzeit für ein Bachelor-Studium liegt bei 6 Semestern. Wie das Statistische Bundesamt nun aufzeigt, liegen die realen Studienzeiten deutlich darüber.
(ps) Mit dem 1999 beschlossenen Bologna-Prozess wurde der Grundstein für das Bachelor-Master-System gelegt, das seit 2002 sukzessive Einzug in die deutschen Universitäten hielt. Seit etwa 2010 kann von einer flächendeckenden Einführung gesprochen werden. Neben der europaweiten Vergleichbarkeit und neuen Arbeitschancen mit einem Bachelor-Abschluss war ein Ziel auch, das Studium insgesamt zu straffen und Langzeitstudierende zu verhindern.
Regelstudienzeit wird selten eingehalten
Nun hat das Statistische Bundesamt (Destatis) aktuelle Zahlen zur Studienverlaufsstatistik veröffentlicht. Dabei besonders auffällig: die Regelstudienzeit, die allgemein mit sechs Semestern angesetzt ist, wird häufig deutlich überschritten. So haben laut Destatis nach acht Semestern lediglich 30 Prozent der Studierenden einen Bachelor-Abschluss erlangt. Die höchste Quote gab es in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit 39 Prozent, am geringsten war die Abschlussquote bei den Geisteswissenschaften, wo nach acht Semestern lediglich 22 Prozent ihren Abschluss erlangten.
Entsprechend ist bei acht Semestern auch noch lange nicht Schluß: „Je länger der Beobachtungszeitraum, desto höher ist die Abschlussquote. Denn viele Studierende benötigen mehr als acht Semester bis zum erfolgreichen Abschluss und schließen ihr Studium daher in einem höheren Semester ab.“, so Destatis. Ähnlich sieht die Lage bei den Master-Studiengängen aus: vorgesehen sind vier Semester Regelstudienzeit, nach sechs Semestern hatten jedoch erst 51 Prozent ihren Abschluss in der Tasche.
Die Verlängerung der Studiendauer scheint einem längerfristigen Trend zu entsprechen. Noch 2010 lag die mittlere Studiendauer für ein Bachelor-Studium noch bei exakt den vorgesehenen sechs Semestern, 2020 bereits bei 7,2 Semestern. Auch das Studium insgesamt, inkl. Erst-, Zweit- und Masterstudierenden, dauert immer länger. Insbesondere die Zahl der Absolvent*innen, die drei oder mehr Semester über der Regelstudienzeit liegen, nimmt stetig zu.
Frauen früher erfolgreich
Auffällig ist weiterhin die Geschlechterverteilung bei den Absolvent*innen. Während das Geschlechterverhältnis zu Studienbeginn bei annähernd 50 zu 50 liegt, ändert sich dieses Verhältnis zum Ende des Studiums hin deutlich. So sind nach acht Semestern 36 Prozent der Absolvierenden Frauen, und lediglich 25 Prozent Männer.
Dies wird auch in den Fächergruppen deutlich: „Innerhalb aller Fächergruppen wiesen Bacheloranfängerinnen des Studienjahres 2019 acht Semester nach Fachstudienbeginn höhere Abschlussquoten auf als ihre männlichen Kollegen. In der Fächergruppe ‚Geisteswissenschaften‘ war der Abstand bei den Abschlussquoten zwischen Frauen (27 %) und Männern (12 %) besonders groß, am geringsten war er in der Fächergruppe ‚Ingenieurwissenschaften‘ (Frauen 26 %, Männer 22 %)“, so Destatis weiter. Zur Wahrheit gehört hier allerdings auch, dass der Frauenanteil bei den Ingenieurwissenschaften im mittleren 20er-Bereich liegt, der Frauenanteil bei den Geisteswissenschaft bei knapp 70 Prozent.
Auch insgesamt wird das Studium weiblicher: seit 2022 gibt es erstmals mehr Frauen als Männer unter den Studierenden, sowohl allgemein als auch speziell bei den Studienanfänger*innen – analog zu den Schulabschlüssen, bei denen ebenfalls heute mehr Frauen als Männer eine Studienberechtigung erlangen.
Besonders interessant ist hier eine Beobachtung, die das ZDF kürzlich machte: zwar liege der Frauenanteil bei Germanistik bei etwa 70 Prozent und bei Informatik bei lediglich 22,5 Prozent. Allerdings sei es in absoluten Zahlen trotzdem so, dass „inzwischen knapp 4.500 mehr Frauen Informatik als etwa das mehrheitlich von Frauen gewählte Fach Germanistik“ studieren würden.
In einer Reihe von Fächern, die traditionell männlich besetzt sind, holen Frauen zudem auf: so seien die Wirtschaftswissenschaften heute vom Geschlechterverhältnis her annähernd ausgeglichen, in den Rechtswissenschaften liegt der Frauenanteil bei knapp 58 Prozent, in Mathematik bei gut 48 Prozent, in Chemie bei gut 42 Prozent.
Quellen:
Statistisches Bundesamt: „Studienverlaufsstatistik 2024: 30 % der Bachelorstudierenden haben nach acht Semestern ihren Abschluss“, PM Nr. 257 vom 15.07.2025; online: www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2025/07/PD25_257_213.html
Statistisches Bundesamt: „Mittlere Studiendauer Bachelor (ohne Lehramtsbachelor)“, Mediathek, 2025; online: www.destatis.de/DE/Mediathek/Digitales-Magazin/Bildung/_Grafik/_Interaktiv/hs-05-1-mittlere-studiendauer-bachelor.html
Statistisches Bundesamt: „Absolventinnen und Absolventen in der Regelstudienzeit“, 2025; online: www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/Bildungsindikatoren/absolventen-regelstudienzeit.html
ZDF: „Unis: Das studieren Frauen am liebsten“, dpa, KNA, 06.03.2025; online: www.zdfheute.de/panorama/studieren-maenner-frauen-universitaeten-100.html
CHE Hochschuldaten: „Erstmals mehr weibliche als männliche Studierende an deutschen Hochschulen“, DatenCHECK 1/2022; online: hochschuldaten.che.de/erstmals-mehr-weibliche-als-maennliche-studierende-an-deutschen-hochschulen/
15.06.2025