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Content mit Reichweite – Karriere in Social Media

Wie wird man eigentlich Influencer*in?

Influencer bei der Arbeit (Symbolbild). Bild von Social Cut auf Unsplash. Influencer bei der Arbeit (Symbolbild). Bild von Social Cut auf Unsplash.
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Content sucht Reichweite

Eine Karriere in den Sozialen Medien wird für immer mehr Jugendliche ein Traumberuf. Wer seine Leidenschaft professionell nutzt, kann damit eine richtige Karriere auf die Beine stellen – aber wird auch große Herausforderungen meistern müssen.

 

(ps) Der Wunsch, mit Social Media den Lebensunterhalt zu verdienen, ist längst nicht mehr exotisch. Für viele Jugendliche gehört die Idee, als Influencer*in oder Content Creator*in erfolgreich zu werden, heute zu den Traumberufswünschen – und eine ganze Reihe von erfolgreichen Influencer*innen zeigen, dass es geht, und dass sich damit Geld verdienen lässt. Zwischen Selbstverwirklichung, kreativer Freiheit und digitalem Unternehmertum entsteht ein neues Arbeitsfeld, das Chancen eröffnet, aber auch hohe Anforderungen stellt.


Wer aber glaubt, dass „Influencer*in“ zu sein der neueste Schrei ist, täuscht sich. Das Phänomen ist älter, als der Begriff vermuten lässt. Menschen, die durch Wissen, Persönlichkeit oder Auftreten andere beeinflussen, gab es schon lange vor Instagram und TikTok: etwa Leitartikel in großen Zeitungen und Zeitschriften konnten die politische und gesellschaftliche Landschaft bewegen, und als noch alle Menschen Fernsehen guckten, wurden auch hier Trends geschaffen. 


Der Physiker Harald Lesch erreichte schon vor Social Media ein treues Millionenpublikum und begeisterte junge Menschen für Physik durch seine Fernsehsendungen – die waren anfangs 15 Minuten lang, was durchaus als Vorläufer der Kurzvideos auf TikTok und YouTube im TV-Format verstanden werden kann. Als Tim Mälzer 2003 mit seiner ersten Kochsendung anfing, war er so erfolgreich, dass die Nachfrage nach der Ausbildung zum Koch bzw. zur Köchin deutlich sichtbar anstieg. Und noch viel früher, schon in der Antike, prägten Denker wie Sokrates oder Epikur mit ihren Lehren und Ideen ganze Generationen (und Sokrates musste sogar sein Leben lassen, weil der Staat den Einfluss seiner Ideen auf die Jugend fürchtete) – Influencer im ursprünglichen Sinne, lange bevor es Likes und Views gab. Neu ist also weniger die Rolle, sondern vielmehr der digitale Raum, in dem sie heute ausgeübt wird.


Was bedeutet eigentlich „Influencer“ – und was „Content Creator“?


Obwohl beide Begriffe häufig synonym verwendet werden, gibt es Unterschiede. Content Creator beschreibt zunächst allgemein jede Person, die digitale Inhalte produziert: Videos, Fotos, Texte, Podcasts oder Streams. Der Fokus liegt auf der Kreativität und der Qualität des Materials. Ein*e Influencer*in hingegen zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass diese Inhalte eine breite Wirkung, also „influence“, auf eine Community haben. Reichweite, Markenkooperationen und eine gewisse Vorbildfunktion spielen hier eine größere Rolle.


Nicht ganz selten verursachen Influencer*innen dann auch ganz reale Effekte auf Popkultur und Wirtschaft – bspw. bei den Food-Influencer*innen gab es vor nicht allzu langer Zeit den Hype um die Dubai-Schokolade, und vor ein paar Jahren waren die scharfen koreanischen Fertignudeln „Buldak“ weltweit wochenlang ausverkauft, weil sie auf TikTok im Trend waren.


„Einige der führenden Content Creator im Netz sind heute weit mehr als nur Influencer, die im Rahmen einer Kooperation Produkte Dritter in die Kamera halten, sondern sind selbst zu Gründern, Unternehmerinnen und Markeninhabern mit eigenen Produktkonzepten avanciert“, sagt der BWL-Professor Julian Voss von der Privaten Hochschule Göttingen (PFH). Einer Umfrage der PFH zufolge haben etwa 40 Prozent der Abiturient*innen bereits Produkte von Influencer*innen erworben, und knapp 43 Prozent können sich vorstellen, beruflich Content Creator*in zu werden.


Werde ich damit reich?


Wer sich eine Karriere als Influencer*in erträumt, will damit natürlich auch Geld verdienen. Und es gibt genug Beispiele dafür, dass es auch klappen kann. Selbst deutschsprachige Influencer*innen, die also im Vergleich zum englischsprachigen einen relativ kleinen potentiellen Markt haben, präsentieren mitunter die Villen und das Luxusleben, das sie sich mit ihrer Präsenz in den sozialen Medien finanzieren. „Der geschätzte Umsatz der Branche beträgt weltweit rund 90 Milliarden Dollar und ist weiter auf dem Vormarsch“, sagt Julian Voss. Allein für Influencer-Marketing in Deutschland werden laut Statista 2025 voraussichtlich etwa 827 Millionen Euro ausgegeben. 


Die Realität für den oder die Einzelne sieht aber oft anders aus: Wie die auf Social Media spezialisierte Marketingagentur Inbeat berichtet, verdienen lediglich 4 Prozent der Influencer*innen weltweit mehr als 100.000 US-Dollar (etwa 86.500 Euro) pro Jahr. Und die Konkurrenz ist groß – so gebe es derzeit um die 207 Millionen aktive Content Creator*innen.


Da Influencer*innen freiberuflich arbeiten, erhalten sie auch kein monatliches festes Gehalt – das Einkommen hängt von der Zahl der eigenen Follower und den Klickzahlen der Videos ab. Hier hat jede Plattform eigene Geldsätze: wer beispielsweise auf TikTok 1.000 bis 10.000 Follower hat, kann mit etwa 10 bis 100 Euro pro Beitrag rechnen und wird „Nano-Influencer“ genannt. Dann gehen die Stufen nach oben bis hin zum „Mega-Influencer“ mit mehr als einer Million Follower, bei denen mit 10.000 Euro und mehr pro Beitrag gerechnet werden kann. Die TikTokerin Charli D’Amelio konnte mit ihrem Kanal über 156 Millionen Follower begeistern und verdient pro Beitrag im Schnitt über 100.000 US-Dollar. Sie wurde übrigens 2019 die erste TikTokerin mit mehr als 100 Millionen Followern und blieb die Nr. 1 bis Khaby Lame sie 2022 überholte.


Das muss man aber auch erstmal schaffen. Etwa 45 Prozent der Content Creator*innen haben weniger als 20.000 Follower, und Zahlen aus den USA zeigen, dass für etwa die Hälfte aller Influencer*innen der monatliche Verdienst bei um die 500 US-Dollar (derzeit etwa 430 Euro) liegt. Nicht umsonst haben viele Content Creator*innen entweder noch einen anderen Beruf – oder sie haben ihren Beruf zum Content gemacht.


Und wie werde ich nun Influencer*in?


Influencer*innen oder Content Creator*innen stehen am Anfang immer vor der Frage, welchen Content sie präsentieren wollen und wie sie sich dafür professionalisieren wollen. Oder anders formuliert: um welche Inhalte geht es dir, und wie willst du sie und dich präsentieren? 
 

Ein möglicher Weg ist, deinen Beruf(swunsch) zum Content zu machen und dich auf deine Inhalte und weniger auf das Drumherum zu konzentrieren. Das lässt sich oftmals sehr gut verbinden – bspw. Beauty-Influencer*innen erlernen einen Beruf in der Kosmetikbranche, Food-Influencerinnen können Köch*innen werden, usw. Der Tischlermeister Jonas Winkler hat auf Instagram fast 500.000 Follower, auf Youtube über 600.000 – und seine Videos erreichen mitunter ein Millionenpublikum. Was macht er? Er erzählt begeistert über sein Handwerk, testet Techniken und Trends, gibt Tipps oder präsentiert Projekte zum Nachbauen. Influencer*innen, die ihren Beruf zum Inhalt machen, werden oft als authentisch und glaubwürdig wahrgenommen, weil sie abseits der Kamera mit dem arbeiten, was sie vor der Kamera präsentieren. 


Vielleicht bist du auch so begeistert von deiner Ausbildung, dass dich erst da der Wunsch gepackt hat, Influencer*in zu werden? Auch das kommt vor und kann sehr erfolgreich sein, wie vor einigen Jahren der TikToker Luis Bauer bewiesen hat: der (damals noch angehende) Bestatter erreichte mit seinem Kanal über Tod, Beerdigung und Bestattungswesen ein Millionenpublikum – und erreicht es noch immer. Damit hat Luis nebenbei auch widerlegt, dass Influencer*innen mit beruflichen oder berufsanalogen Themen nur ein eher kleines interessiertes Fachpublikum erreichen würden. Mit guten, durchdachten Inhalten und spannenden Fragen können deine Inhalte weit über die unmittelbare Zielgruppe hinaus austrahlen. Allgemein hat dieser Weg über berufliche Professionalisierung in deinem Themenbereich natürlich auch den klaren Vorteil, dass du später eine Berufsausbildung oder ein Studium hast, die dich interessieren und womit du auch ohne Influencer*in zu sein arbeiten kannst und willst.


Aber es gibt auch noch einen zweiten guten Weg, wenn du dich neben deinem Content selbst für Content-Präsentation, Performance und Produktion interessierst. Denn natürlich beschäftigen sich längst nicht alle Influencer*innen mit Themen, die sich in Berufe übersetzen lassen – aber (fast) alle sind ihre eigenen Produzent*innen, ihre eigenen Schnitttechniker*innen, ihre eigenen PR-Leute. So kannst du bspw. eine Ausbildung oder ein Studium in den Bereichen Medien, Design, PR oder Journalismus ergreifen – und damit sowohl die Qualität deiner Präsentation und deines Marketings optimieren, als auch den Grundstein für eine spätere Karriere in diesem Bereich zu legen. 


Besonders praxisnah sind hier Ausbildungsberufe wie Gestaltungstechnische*r Assistent*in, Mediengestalter*in für Digital und Print oder für Bild und Ton (hier lernst du u.a. auch Film- und Videoediting bzw. Schnitttechnik), oder auch Kaufmann*Kauffrau im E-Commerce, wo sowohl Kreativität als auch technisches und kaufmännisches Know-how vermittelt wird. Auf akademischer Ebene bieten Studiengänge wie Journalismus, Medienmanagement oder Kommunikationswissenschaft vertiefte Einblicke in strategische Kommunikation, Storytelling, Medienrecht und Produktionsprozesse. Diese Wege vermitteln professionelle Grundlagen, mit denen sich Social-Media-Content nicht nur ansprechender, sondern auch strategisch fundierter gestalten lässt. Eine Überblick über die wichtigsten Berufe in der Medienbranche bekommst du übrigens in unserer Berufswelt “Mach was mit Medien!” und im zugehörigen Übersichtsartikel.


Leidenschaft als Grundlage – Risiken inklusive


Egal, welchen Weg du einschlägst: Ohne Leidenschaft funktioniert dieser Beruf nicht. Der Druck, regelmäßig zu posten, kreativ zu bleiben und sich ständig weiterzuentwickeln, kostet Energie. Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen häufig, denn als Selbstständige*r bist du nicht an Bürozeiten gebunden, gehst nicht am Nachmittag um 16 Uhr nach Hause. Hier muss man sich selber strenge Arbeits- und Freizeitphasen auferlegen. Gelingt das nicht, steigt das Risiko für Überlastung – Fälle wie der Burnout des Youtubers Julien Bam zeigen, wie real diese Gefahr ist. Der Beruf kann sehr erfüllend sein, aber auch sehr fordernd, gerade weil der Rückzug schwerfällt.


Influencer sein ähnelt in mancher Hinsicht dem Profisport: Es verlangt intensive Arbeit, hohe Selbstmotivation und ist nicht immer eine Tätigkeit fürs ganze Leben. Reichweite kann wachsen – und wieder schrumpfen. Plattformen ändern sich, Trends kommen und gehen. Umso wichtiger ist es, ein zweites Standbein zu haben. Influencer*in oder Content Creator*in zu werden, ist eine spannende, moderne Form kreativer Arbeit, aber kein sicherer Weg zu einem gesicherten Auskommen. Wer langfristig erfolgreich sein will, braucht Leidenschaft, Professionalität, ein Bewusstsein für die eigenen Grenzen – und eine gehörige Portion Glück. Mit solider Ausbildung und klugem Selbstmanagement kann dieser Beruf aber eine echte Chance sein – vielleicht nicht für immer, aber für eine wichtige Phase im eigenen Leben.

 

 

 

07.11.2025